Antworten von katholischen an katholische Laien

Vier katholische Damen haben in einem Leserbrief vom 19. August 2000 in dieser Zeitung Fragen „an Laien" gestellt und auf eine entsprechende Internet-Publikation verwiesen. Ich will mich aus folgendem Grund diesen Fragen stellen: 

Seit 1963 bin ich Mitglied des Pfarrgemeinderats in meiner Pfarrei, war eine Zeit lang dessen Vorsitzender, später Vorsitzender des Dekanatsrates, seit 1972 Vorsitzender des Diözesanrats der Katholiken im Bistum Regensburg und Mitglied des Landeskomitees der bayerischen Katholiken und seit 1968 ca. 30 Jahre lang Mitglied des ZdK (nicht als „Funktionär" sondern in allen Fällen als gewähltes ehrenamtliches Mitglied). 

Vor dem Versuch einer Antwort auf die gestellten Fragen erlaube ich mir eine Bemerkung zum Stil des erwähnten Leserbriefes. Ich versetze mich einmal in die Lage eines un- oder andersgläubigen Mitbürgers, der diesen Brief liest und merkt, dass es sich um eine Auseinandersetzung unter Christen handelt. Christen - so dachte der Mitbürger bisher - sind sich der Großzügigkeit des Christentums bewusst, Christen gehen in Liebe und Verständnis miteinander um, sie wissen, dass die Kirche groß und weit ist und dass in ihr verschiedene Meinungen untereinander ausgetragen werden; immer auch mit der Bereitschaft aufeinander einzugehen. 

Und was geht hier vor? Christen werfen anderen Christen Mord vor (offensichtlich handelt es sich um eine Verwechslung zwischen den § 211 und § 218 StGB). Sie bezichtigen ihre Mitglieder der glatten Lüge, der unglaublichen Frechheit und Dummheit, der Verletzung des Kirchenrechts, der Vorspiegelung falscher Tatsachen; Von „Widersetzen gegen die Weisungen des Papstes" ist die Rede und den Bischöfen wird Führungsschwäche vorgeworfen. 

Sollen wir uns wundern wenn jene Un- und Andersgläubigen den Christen vorwerfen, sie seien arrogant, intolerant und rechthaberisch? 

Und nun zu den gestellten Fragen:

l.) Das ZdK ist lt. Statut, „das von der Deutschen Bischofskonferenz anerkannte Organ" im Sinne des Konzildekrets über das Apostolat der Laien (Nr. 26) zur Koordinierung der Kräfte des Laienapostolats und zur Förderung der apostolischen Tätigkeit der Kirche.

Mitglieder des Zentralkomitees sind 

a) aus jeder Diözese drei Persönlichkeiten des Diözesanrats außerdem drei Persönlichkeiten der Zentralen Versammlung der katholischen Soldaten, 

b) 52 Persönlichkeiten aus den katholischen Verbänden, 

c) 37 Persönlichkeiten aus Aktionen, Sachverbänden, Berufsverbänden und sonstigen Zusammenschlüssen, 

d) acht Persönlichkeiten aus Geistlichen Gemeinschaften und Bewegungen sowie aus den Säkularinstituten, 

e) bis zu 45 Persönlichkeiten aus dem öffentlichen und kirchlichen Leben als weitere Mitglieder. 

Gewählt wird zunächst in den Pfarrgemeinderäten, diese wählen in den Dekanatsrat, diese in den Diözesanrat. Die katholischen Verbände delegieren entsprechend. Das Zentralkomitee setzt sich also in seiner Mehrheit aus einfachen Laien zusammen. 

Es ist in vielfacher Weise mit der Deutschen Bischofskonferenz verzahnt unter anderem durch die „Gemeinsame Konferenz" aus Delegierten der Bischofskonferenz und des Zentralkomitees, die eigens für diesen Zweck geschaffen worden ist. Im übrigen fassen aber die Mitglieder des ZdK ihre Entschlüsse in eigener Verantwortung und sind dabei von den Beschlüssen anderer Gremien unabhängig (§ l. Ziffer 3 des Statuts).

2.) Die Behauptung, der Beratungsschein habe einzig den Zweck, die Tötung des Ungeborenen zu ermöglichen ist falsch. Das ergibt sich aus dem Wortlaut des § 218 b StBG. Die Pflicht zur Beratung hat zunächst den Sinn, das Leben des Ungeborenen zu schützen. Insofern ist die in der Bundesrepublik Deutschland geltende Regelung ganz erheblich humaner, als die Regelung in anderen Ländern (Fristenlösung oder nicht einmal das). Überaus problematischist der in § 218 b eingebaute Strafaus-schließungsgrund. Zwar bleibt § 218 insgesamt ein Tötungsdelikt; Die Möglichkeit, die Strafe zu vermeiden führt aber bei der potenziellen Täterinnen und Tätern zu dem falschen Bewusstsein, es bestehe ein Recht auf Abtreibung. Die derzeitige Kräfteverteilung im Bundestag hat aber nicht ausgereicht diesen Effekt zu vermeiden. So müssen die Bundesbürger mit dieser unheilvollen Rechtslage leben.

Die Weigerung kirchlicher Stellen, den Beratungsschein auszustellen, ändert daran nichts. Im Gegenteil: Es gibt genügend andere Stellen, die nicht nur den Schein ausstellen, sondern darüber hinaus gegen das Leben beraten. 

3.) Wer den kirchlichen Beratern und Beraterinnen vorwirft, sie täten ihre Arbeit nur, um die Tötung zu ermöglichen, tut ihnen bitteres Unrecht. Es ist schwer genug für sie, dauernd unter Gewissensdruck zu stehen weil sie keinen Einfluss darauf haben, was die Beratenen mit dem Schein machen. Ganz schlimm wird es dann, wenn ihnen die Kirche den Auftrag entzieht oder wenn ihnen vorgeworfen wird, für die Tötung sei nicht der verantwortlich, der den Schein benutzt, sondern der, der den Schein ausstellt. 

Es ist leicht, aber verantwortungslos, im Hintergrund zu stehen, seine Hände in Unschuld zu waschen und die Beratungswilligen vor der Tür stehen zu lassen. 

4.) Was bedeutet in diesem Fall eine „Weisung des hl. Vaters?" Die Frage der Unfehlbarkeit der Kirche, des Gehorsams und seiner Grenzen war schon Gegenstand des I. Vatikanums. Die Wahrheitssuche gelangte aber nur bis zur Rolle des hl. Vaters und musste dann bis zum II. Vatikanum unterbrochen werden. So stand über Jahrzehnte die „Unfehlbarkeit des Papstes" im Vordergrund. Die Autorität des hl. Vaters wurde in der Zeit nach dem I. Vatikanum nicht nur in Glaubens- und Sittenfragen sondern auch in Fragen der Jurisdiktion beachtet. Erst jetzt - in den dogmatischen Aussagen des II. Vatikanums - klären sich die Konturen der kirchlichen Verkündigung und die Grenzen der einzelnen Zuständigkeiten. In Art. 25 der dogmatischen Konstitution „lumen gentium" wird nun die Lehre über die Unfehlbarkeit ausgefaltet und differenziert. Der „im Namen Christi vorgetragene Spruch des Bischofs" wird im Konziltext auf die Glaubens- und Sittenlehre beschränkt (göttliche Offenbarung, Schöpfung und Natur, Heilslehre des Alten Testaments, Evangelien). Wie aber die Offenbarungswahrheiten im einzelnen Fall verwirklicht werden sollen, ist - in diesem Gehorsamsrahmen - der Freiheit der Laien anvertraut (Art. 37 Kirchenkonstitution).

Das heißt also in diesem Fall: Dass das Leben geschützt werden soll ist eine Frage, die der Sittenlehre unterliegt, also dem Lehramt der Kirche. Wie es aber im Einzelnen geschützt werden soll, ist eine politische Frage, unterliegt also der Freiheit der Laien (Art. 37 Kirchenkonstitution/Art. 76 Konstitution über die Kirche in der Welt von heute). Das unfehlbare - im Gewissen verbindliche - kirchliche Lehramt erklärt also niemals bindende Weisungen in politischen Detailfragen (Beratungsschein). 

Freilich liegen im konkreten Fall die Bereiche nahe beieinander: Hier der Grundsatz des Sittengesetzes 

- dort seine praktische Durchsetzbarkeit. Für die Unterscheidung der Frage, ob eine Äußerung des kirchlichen Lehramts verbindlich ist, gibt es zwei zuverlässige Kriterien: 

a) verbindliche Entscheidungen des Lehramts gelten immer für die gesamte Christenheit (etwa für Eskimos wie für Papuas), 

b) verbindliche Entscheidungen des Lehramts dulden keinen Kompromiss, der in konkreten politischen Fragen oft unerlässlich ist. 

Das bedeutet natürlich nicht, dass man eine unverbindliche Äußerung des Lehramts einfach beiseite schieben kann. Im Gegenteil: In Liebe und Ehrfurcht wird man die Meinung der Hirten - vor allem des obersten Hirten - gewichten müssen. 

5.) Es wäre für die Laien bequem, man würde die Entscheidung im komplizierten, politischen Fragen dem Lehramt zuschieben. Die Verantwortung der Laien würde auf reinen Befehlsvollzug zurückschrumpfen. Wenn im Einzelfall für die Kirche Schaden entstünde, müsse dann das Lehramt allein die Konsequenzen tragen. Das entspricht gewiss nicht dem Bild, das die Kirche in den Texten des II. Vatikanums von der Rolle des Laien gezeichnet hat. 

V. Graf Ballestrem

dazu:
 
19.08.2000 Leserbrief "Fragen von und an katholischen Laien", veröffentlicht im Straubinger Tagblatt
29.08.2000 Unsere Antwort wurde leider auch stark gekürzt nicht veröffentlicht.

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Last update: 15. März 2002 14:58