Antwort an Bischof Kamphaus

Eure Exzellenz, sehr geehrter Herr Bischof!

Wir danken für Ihre Antwort vom 9.10.01 auf unseren Brief. Als einziger der dt. Oberhirten verurteilte Erzbischof Dyba Abtreibungen nicht nur verbal, sondern gab schon lange bevor der Heilige Vater seine Weisung an seine Amtsbrüder erteilen mußte, mit Taten Zeugnis für die Haltung der katholischen Kirche und somit den Gläubigen Halt und Orientierung. Es ist sein Verdienst, daß die Kirche in Deutschland nicht ganz dem Sumpf des Zeitgeistes erlag. Daß Papst Johannes Paul II. geduldig solange wartete, bis er endgültig seine Weisung erteilte ist wohl seiner vergeblichen Hoffnung zuzuschreiben, das deutsche Episkopat möge selbst einmütig zu einer klaren, eindeutigen Haltung für das Leben finden, Zeugnis für die Lehre der Kirche und Gottes Gebote geben. Was Sie zu seiner Haltung schreiben stimmt so nicht. Schon 1995 verwies er auf die „Zweideutigkeit des neuen Abtreibungsgesetzes“ und ließ seither in Schreiben und Gesprächen nie einen Zweifel daran, daß die Ausstellung der Scheine, sofern sie Abtreibung ermöglichen, eingestellt werden müsse.

Nach Ihrer Logik müßte die Erde noch heute als flach, das Weltsystem geozentrisch gelten. Galileo Galilei wäre vom Papst zu Unrecht rehabilitiert worden. Nach diesem Prinzip waren Hexenverbrennungen und -prozesse richtig, müßte die Inquisition noch heute stattfinden. Was Jahrtausende die große Mehrheit der Gelehrten übereinstimmend mit der Kirche für richtig hielt, über Jahrhunderte aus Überzeugung von Kirche und Staat getan (verbrochen!) wurde, „kann doch über Nacht so falsch nicht geworden sein.“
Genauso wenig wie die Erde jemals flach war, die Sonne um die Erde kreist und Inquisition und Hexenprozesse richtig waren, ist das Mitwirken der Kirche an der Tötung ungeborener Kinder, indem sie sie durch das Ausstellen der Beratungsbestätigung für 12 Wochen vogelfrei gibt, richtig. Mochte man vor 5 Jahren noch blauäugig glauben, daß mit der Beratungspflicht die überwiegende Zahl der Kinder gerettet werde, zeigt doch die Erfahrung längst, daß man unrealistisch einem Wunschdenken erlegen ist. Schon mehrmals haben wir dazu Kardinal Lehmann und Verwaltungsrichter Büchner zitiert. Aussagen von Kardinal Wetter, die wir in Kopien beilegen, verdeutlichen wie sehr das Unrechtsbewußtsein in der Bevölkerung abge-nommen hat. Die kontinuierlich ansteigenden Abtreibungszahlen, die 2000 einen neuen Höchststand erreichten und auch Ihnen bekannt sein dürften, beweisen dies.
Es ist unverantwortlich, daß die genannten Kardinäle und die Mehrheit der Bischöfe, obwohl sie die Bewußtseinslage der Bevölkerung kannten, im staatlichen Beratungssystem bleiben wollten. Besessen davon, hätte Lehmann, mit seiner Idee einer eidesstattlichen Erklärung der Frauen, sogar der Lüge Tür und Tor geöffnet. Noch heute verteidigt er die verbrecherische Gesetzgebung, die Abtreibung nicht nur straffrei läßt, sondern sogar erleichtert, finanziert und somit fördert, mit der unwahren Behauptung, „daß nur in bestimmten Fällen unter einer Reihe von Bedingungen eine Frau, die abtreibe, von Strafe ausgenommen werde.“ DT 25.9. Wohl wissend, daß es außer bei medizinischer und kriminologischer Indikation, bei denen der Beratungsnachweis nicht erbracht werden muß, nur eine einzige Bedingung für straffreie Abtreibung vorgewiesen werden muß, nämlich die todbringende Beratungsbestätigung.
Traurig ist, daß die Kirche aus politischem Kalkül an dieser Gesetzgebung mitwirkte und sich viele Verantwortliche mit fadenscheinigen Begründungen uneinsichtig der Realität nicht beugen wollten. So meinte Regensburgs Bischof Müller „Die Frage ist, ob der Papst in diesen diffizilen Themen wirklich den Durchblick für die spezielle Situation in Deutschland hat.“ Er sorgte sich darum „daß als Konsequenz des Ausstiegs aus der Beratung die gute Zusammen-arbeit zwischen Staat und Kirche auf Dauer erschüttert würde. Dies könne den Religionsun-terricht in den Schulen, die Militärseelsorge und Fragen der Kirchensteuer betreffen.“ Viel-leicht hatte der Papst den Durchblick für die spezielle Situation in Deutschland nicht, was wir bezweifeln, aber absolut sicher ist, daß die Kirche unter seinem Pontifikat nicht käuflich ist. Gott segne ihn dafür. Wie gut, daß er über die Kirche Christi wacht!

Wissen denn die Oberhirten nicht, daß sie zuerst für das Seelenheil der Menschen zuständig sind? Sind sie mehr (um jeden Preis) an deren irdischem Wohlergehen als an ihrem ewigen Heil interessiert? Dann haben sie Beruf und Berufung verfehlt! Um irdische Werte sorgen sich andere Berufe, Institutionen und Politiker. Nicht selten verführen sie zu Egoismus und Egozentrik. Bischöfe haben andere Aufgaben zu erfüllen. Sie dürfen keinesfalls, wie sie es tun, die Desensibilisierung und Zerstörung des Gewissens fördern. Mit dieser Haltung haben sie weit mehr Kinder getötet als gerettet! Es geht nun mal im Leben nicht alles nach Wunsch und Plan. So wie man Unfälle, Krankheiten und andere Schicksalsschläge hinnehmen und damit fertig werden muß, muß man auch mit ungewollter Schwangerschaft zurechtkommen. Es ist keine Frage, daß den Frauen dabei geholfen werden muß und Hilfsangebote gibt es ja. Aber durch töten und die Ermöglichung dazu darf man Schwierigkeiten nicht aus dem Weg gehen. Wie der Herr müssen Geistliche dazu auffordern täglich sein Kreuz auf sich zu nehmen. Denn Lk 9,25, „Was nützt es einem Menschen, wenn er die ganze Welt gewinnt, dabei aber sich selbst verliert und Schaden nimmt?“

Gott gebe Ihnen den Willen und die Kraft ohne Selbstbelügung den wahren Sachverhalt einzusehen und die Fakten anzuerkennen. Weder sich selbst noch anderen sollen Sie erklären, daß etwas das 5 Jahre möglich war über Nacht falsch geworden ist, sondern Sie sollten den Mut aufbringen einzugestehen, daß Sie einem Irrtum erlegen sind und wie, mit Ausnahme Erzbischof Dyba`s, alle dt. Bischöfe in dieser Sache von Anfang an falsch gehandelt haben. Dies würde Ihnen bei den Menschen sicher mehr Achtung einbringen, als spitzfindige, nicht nachvollziehbare Erklärungen.

Mit freundlichen Grüßen

dazu:
 
19.10.2001 Brief an Bischof Kamphaus und Antwort.
Unsere Erwiderung.

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Last update: 15. März 2002 14:08